Wiedersehen…

Die Tage nach meiner Ankunft in Quito sind von netten Wiedersehenstreffen mit Freunden und Familie geprägt. Mein Gastvater Fernando aus Riobamba empfängt mich sehr nett in seinem Appartement. Am Dienstag treffe ich mich mit vielen Bekannten aus meiner Zeit auf San Cristobal: Paul, der Neffe der Barbesitzer, mit dem wir viel gearbeitet haben, ist gerade in Quito. Wir treffen uns am Nachmittag, nachdem ich kurz im Institut bei Marylene vorbeigeschaut habe. Er bringt einen Cousin mit, und nach einem kurzen Spaziergang durch den Park Carolina landen wir in einer kleinen Bar und schauen uns das Fussball Länderspiel Ecuador gegen Uruguay an – das ist witzig uns sehr speziell.

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Später treffen wir uns mit ein paar Freiwilligen aus Jatun Sacha: Adrian, der hier in Quito wohnt, und Alexandra und Patricia, die hier noch ein paar Tage vor ihrer Rückreise verbringen.

Mittwoch bin ich zum Mittagessen bei meiner Gastfamilie eingelade, und werde sehr herzlich empfangen. Es gibt ein Gericht mit Shrimps – lecker! Später spielen Lilían und ich Karten, und Margarita kommt dazu. Dann holt mich Eduardo, den ich vor vielen Monaten über meine Freundin Edna kennengelernt habe ab. Wir verbringen den Abend in einem netten Cafe im Stadtteil Itchimbia, mit wunderbaren Blick auf die Altstadt und den „Panecillo“ (der kleine Hügel in der Innenstadt auf dem die heilige Jungfrau über Quito wacht). Wir essen Empanadas und trinken typische Getränke (Ponche, ein Eierpunsch, und Canelazo, ein alkoholisches Heissgetränk mit Zimt und Naranjilla Saft).

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Am Donnerstag morgen bin ich noch einmal mit Alexandra verabredet. Bevor sie mittags zum Flughafen fährt, schauen wir uns noch einmal die Guayasamin Ausstellung an, die mich schon beim ersten Mal nachhaltig beeindruckt hat. Auch diesmal bin ich wieder sehr beeindruckt, und erstaunt dass dieser außerordentliche Künstler in Europa kaum bekannt ist. Leider darf man in der Ausstellung nicht fotografieren. Aber auch der Ausblick über Quito ist sehenswert:

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Nachmittags ist nochmal ein besonderes Wiedersehen angesagt: Um 15 Uhr treffe ich mich mit Lilían und Margarita, und nehme noch einmal am Kochtreffen der Gruppe älterer Damen teil. Extra für mich machen wir noch einmal Empanadas, und sorgfältig achten meine Gastgeberinnen darauf, dass ich diese auch mit der richtigen Falttechnik verschließe. Die Empanadas nie mit der Faltkante zuerst ins Fett legen, nicht von oben fallen lassen, das Fett muß die richtige Temperatur haben. Als wir fertig sind haben sich alle vergewissert dass ich die Technik gut genug beherrsche, um meine Freund in Deutschland ecuadorianisch zu bewirten.

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Am Freitag morgen fahre ich ein zweites Mal nach Otavalo. Ich war vor vielen Monaten mit meiner Freundin Marie schon einmal hier. Damals hatten wir keine Zeit den Kondorpark zu besuchen. Ich möchte den Wappenvogel Ecuadors so gerne einmal sehen. Ich checke im gleichen Hotel ein wie letztes Mal, und schon wenige Minuten später sitze ich in einem Taxi, das mich die etwa sechs Kilometer zum hoch gelegenen Vogelpark fährt. Der Himmel ist strahlend blau ind die Sonne scheint, und ich schaue mir in aller Ruhe die verschiedenen Raubvögel an. Hier gibt es Falken, verschiedene Adler Arten, und besonders beeindruckt mich eine Harpyie mit aufgestelltem Federschopf.

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In einem weiteren Abschnitt des Parks sehe ich verschiedene Uhus und andere Eulenarten. Wie einzigartig war es doch, eine dieser Eulen auf San Cristobal in freier Wildbahn zu sehen! Dann komme ich zum Höhepunkt des Parks, einer Voliere mit dem größten Greifvogel der Welt – dem Kondor. Ich schaue und schaue – aber die beiden Vögel haben sich wohl in ihrer Höhle verkrochen und machen keine Anstalten herauszukommen. Nun, ich habe Zeit, und heute nichts anderes mehr vor. Ich beschließe zunächst eine Kleinigkeit zu essen, aber die Cafeteria ist geschlossen. Nahe dem Eingang gibt es einen kleinen Laden, und hier frage ich auch gleich nach der Vogelschau. Diese, so teilt mir die Verkäuferin mit, findet heute leider nicht statt, da die Angestellten die diese durchführen zur Zeit nicht im Park seien.

Ich laufe zurück zur Kondor Voliere, setze mich auf eine Bank in den Schatten (in der Sonne ist es wirklich heiss), und geniesse meine Tüte mit Tortilla Chips. Vom Kondor ist nach wie vor nichts zu sehen. Ich richte mich auf eine längere Wartezeit ein, und stöbere ein wenig in meinen Fotos, als plötzlich eine Parkangestellte zur Flugschau ruft. Was für ein Glück dass ich mir die Zeit genommen habe, noch ein wenig zu warten!

Im Folgenden sehen wir verschiedene Adlerarten fliegen, und ein Falke zeigt seine Künste. Diesen darf man nachher auch vorsichtig mitsamt dicken Lederhandschuh auf den Arm nehmen, und ein freundlicher Ecuadorianer macht ein Bild von mir.

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Und siehe, am Ende der Flugshow zeigen sich plötzlich im benachbarten Gehege auch der Kondor nebst Gattin. Und als ob das nicht genug wäre, breitet er auch noch seine Flügel aus. Die Spannweite ist beeindruckend (bis zu drei Metern), und ich bin überglücklich.

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Was für ein Glück, nicht nur diese beeindruckenden Tier zu sehen, sondern auch noch die Flugschau zu erleben! Eine Weile schaue ich den mächtigen Raubvögeln zu, die sich am Mittagessen – rohem Fleisch – laben. Sie gehören zur Familie der Geier und sind Aasfresser. Dann verlasse ich beschwingt den Park.

Das Wetter ist zu schön um einfach nur zurückzufahren, und so beschliesse ich, an meinen Parkbesuch noch einen Spaziergang anzuhängen. Von hier oben hat man einen wunderschönen Blick auf den Lago San Pablo.

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Eine Indígena kommt mir mit ein paar Hunden entgegen, wir schwatzen einen Moment, und sie empfiehlt mir in Richtung See zu laufen. Und so wandere ich eine gute Stunde hinunter zum See. Der Ort scheint verlassen, eine alte Frau kräht mir fröhlich „Gringa“ hinterher und winkt. Ich tue ihr den Gefallen und winke zurück. Als plötzlich eine Taxe auftaucht betrachte ich das als Zeichen des Himmels. Das Dorf scheint zu klein um hier ein Restaurant zu finden, und so fahre ich zurück nach Otavalo. Ich habe Hunger, und etwas außerhalb des Zentums finde ich ein von Einheimischen gut besuchtes Restaurant, in dem ich für 2,50 $ ein typisches Mittagessen („Almuerzo“) bestelle. Wie immer gibt es vorweg eine Gemüsesuppe, als Hauptgang Reis mit gebratenem Hühnchen und Salat, und dazu einen frischen Fruchtsaft. Nachmittags bummle ich durch die Strassen von Otavalo, und kaufe für meine Gitarre eine bunte gewebte Hülle – in die habe ich mich schon beim ersten Mal verliebt. Abends geniesse ich von dem mexikanischen Restaurant aus, das ich schon zusammen mit Marie besucht habe, den Blick über den bunten Marktplatz. Zu den Tortillas gibt es einen Erdbeer-Mojito. Das Leben kann schön sein. Einzig eine rotverbrannte Nase trübt meine Freude. Arrogant habe ich gedacht, dass ich nach zwei Monaten auf den Galapagos Inseln keinen Sonnenschutz mehr brauche, und dabei ganz übersehen, dass wir uns auf gut dreitausend Meter Höhe befinden…

Am nächsten Morgen stürze ich mich früh in das Markttreiben von Otavalo, kaufe Mitbringsel, und kann der Versuchung einer buntgewebten Handtasche und der eines kleinen Rucksacks nicht widerstehen. Irgendwie wird das alles schon in den Koffer passen – hoffe ich…

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Nachmittags fahre ich nach Quito zurück, und packe meine Sachen für die Reise am nächsten Tag. Aber bevor ich am Sonntag nach Riobamba weiterfahre, steht noch ein Treffen aus, auf das ich mich sehr freue: Ich bin mit meiner ehemaligen Spanischlehrerin Sophia verabredet. Wir treffen uns Mittags am Einkaufszentrum, und fahren dann zu einem Ceviche Restaurant – diese Spezialität mit Meeresfrüchten essen wir beide besonders gerne. Zum ersten Mal unterhalten wir ins bei einem privaten Treffen in reinem Spanisch, und ich freue mich über das Kompliment, wieviel Spanisch ich in den vergangenen vier Monaten gelernt habe.

Nach dem Mittagessen gehen wir ins Kino, in einen ecuadorianischen Film, der im Dschungel in der Zeit des Krieges zwischen Peru und Ecuador spielt. Das ist – insbesondere ergänzt durch Sophias Erklärungen – sehr interessant für mich. Nachher fährt mich Sophia zum Appartement meiner Gastfamilie, und wir verabschieden uns herzlich. Wir werden über Facebook und email sicher in Kontakt bleiben.

Ich schnappe meinen gepackten Rucksack und nehme eine Taxe zum im Süden liegenden Busterminal Quitumbe, um von dort aus einen Bus nach Riobamba zu nehmen. Von meiner Familie werde ich sehr herzlich empfangen. Sie haben inzwischen einen anderen Gast, und eine andere ehemalige Gasttochter aus Deutschland, Karin, ist ebenfalls gerade zu Besuch. Die Familie rückt einfach zusammen, Oma schläft in Maholys Bett, ich in Omas Bett, und Karin zieht für die nächsten zwei Nächte zu ihrem ecuadorianischen Freund. Es wird ein schöner Abend – hier fühle ich mich so zu Hause!

Am nächsten Tag ist ein weiteres Wiedersehen angesagt. Ich gehe in die Schule um „meine“ Kinder zu besuchen. Ich hatte vorher schon mit der Lehrerin Eugenia kommuniziert, und weiß dass die Klasse nicht mehr in ihrer alten Form zusammen ist. Ich verplaudere mich am Morgen noch ein wenig mit Teresa und Oma, dann nehme ich mir eine Taxe und fahre kurz vor der Pause zur Schule. Verblüfft stehe ich vor einem verschlossenen Tor. Ich klingle zweimal, aber niemand öffnet oder meldet sich auf der Sprechanlage. Da tönt plötzlich mein Name über den Schulhof, und Julian aus meiner Klasse kommt angelaufen so schnell ihn die Beine tragen. De Freude ist groß auf beiden Seiten, und er erklärt mir, dass die Schule jetzt über den oberen Eingang, direkt neben meinem alten Klassenzimmer, betreten wird. Offensichtlich hat sich nach den Sommerferien einiges geändert.

Ich laufe zum oberen Eingang, hier steht einer der zwei Hilfsarbeiter der Schule und bewacht den Eingang. Freudig werde ich auch hier begrüßt, und erfahre, dass Eugenia noch in ihrem alten Klassenzimmer unterrichtet. Vorsichtig spähe ich durch das Fenster, da ruft auch schon eines der Kinder meinen Namen, und freudestrahlend öffnet die Lehrerin die Tür. Erst jetzt wird mir bewußt, wie viele Schüler ich in den zwei Monaten hier kennengelernt habe: Beim Computer Unterricht, bei Ausflügen und auf dem Schulhof. Die Klasse ist wirklich groß und die Kinder sind sehr unterschiedlich. Zwei kleine Mädchen sitzen im Rollstuhl, ein paar der Kinder sind verhaltensgestört, andere einfach langsam, ein kleiner Junge ist leicht autistisch. Das ist ganz anders als unsere Klasse vor den Ferien. Eugenia und ich unterhalten uns einen Moment, dann gehe ich hinüber in ein anderes Klassenzimmer, in dem jetzt meine Kinder zusammen mit einigen anderen unterrichtet werden. Auch hier ein mehrstimmiger Freudenschrei, und bald habe ich drei Kinder im Arm, die mich gar nicht mehr loslassen wollen. Alle wollen aufgeregt wissen wie es auf den Galapagos Inseln war, und fragen freudig ob ich jetzt wieder jeden Tag komme. Ich erkläre dass ich nur zu Besuch da bin, und wie sehr mich freue sie alle wiederzusehen. Dann mache ich mich auf den Weg meine kleine Freundin Lisa zu suchen, sie ist gerade alleine in der Cafeteria.

Offensichtlich sind die Kinder nicht mehr so behütet wie in der kleinen Klasse mit Eugenia, Stalin hat viele Schrammen und Wunden, und die Liza mit ihrem unsicheren Gang wird nicht mehr bei jedem Schritt bewacht. Sie bekommt große Augen als sie mich sieht, und auch sie kann meine Hand gar nicht mehr loslassen. Gemeinsam gehen wir in den Klassenraum zurück, ich helfe ihr beim Frühstück, und alles fühlt sich so vertraut an.

Zusammen mit Liza, Stalin und Byron sitze ich anschliessend in der Sonne, und gehe dann einen Moment auf den Spielplatz hinunter. Auch Eugenia kommt dazu, wir schauen den Kindern beim Spielen zu und reden über gute alte Zeiten… Schließlich drängt Liza in die Klasse zurück, immer in Sorge etwas zu verpassen. Stalin und Byron beschuldigen sich gegenseitig der Belästigung – auch wie in alten Zeiten. Julian schließt mich noch einmal in die Arme, dann ist die Pause herum. Ich geselle mich zu Eugenia in ihren Klassenraum – sie ist nicht zu beneiden. Ein kleiner Junge versucht permanent aus dem Klassenzimmer zu flüchten, und nur das Zuhalten der Tür kann ihn davon abhalten. Das übernehme ich. Ein anderes Kind ist gleich draußen geblieben. Der autistische Junge, erklärt mir die Lehrerin, wird nach einer Weile von selbst das Klassenzimmer betreten. Sie singt mit den Kindern ein Lied, während der kleinere Ausbrecher eine neue Idee hat und mit allen möglichen Stiften an die Tafel malen will. Puuhh… Irgendwann hat er wenigstens einen abwaschbaren Stift erwischt, und lasse ihn gewähren.

Eugenia hat das Lied von der kleinen Ente gesungen, und nun sollen die Kinder eine Ente malen (sie zeichnet die Konturen) und anschließend. „pato“ schreiben. Der eine rennt durchs Klassenzimmer und klaut seinem Schulkameraden die Wachsmalkreiden, ein paar Kinder können nur malen nachdem das Blatt Papier auf den Tisch geklebt wurde, eines der kleinen Mädchen im Rollstuhl gibt mir zu verstehen, dass ich ihren hölzernen Schreibpult über die Rollstuhl Lehnen schieben soll – es gibt alle Hände voll zu tun, und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man das alleine bewältigen kann. Der kleine Störenfried soll seine Ente an der Tafel anmalen, aber er zieht es vor, alle verfügbaren Schränke zu öffnen. Offensichtlich hat er es in der guten Woche des neuen Schuljahres schon geschafft, den CD Player, der in einem der Schränke gelagert ist, kaputtzumachen. Und während Eugenia hier hilft und dort gut zuredet, bewache ich den Schrank.

Inzwischen sind die meisten Enten fertig, und die Kinder dürfen zum Abschluss des Schultages puzzeln. Endlich kann ich meine Schrankwache aufgeben, helfe dem Mädchen im Rollstuhl beim Beenden ihrer Ente, und dann ein paar Kindern beim Puzzle. Die ersten Mütter kommen, das Rollstuhlmädchen wird von ihrer Mutter weggetragen, und ein paar der Kinder begleite ich zum Auto. Dann kehrt Ruhe ein, ich verabschiede mich von meiner Lehrerin und bedaure sie ein wenig – das ist wirklich ein ganz anderer Schulalltag als vor den Ferien. Eugenia hofft zum Jahresende pensioniert zu werden – sie ist schon deutlich über sechzig – und wir beide werden zum Austausch von Nachrichten sicher in Kontakt bleiben.

Ziemlich geschafft verlasse ich die Schule. Dieser halbe Vormittag war ziemlich anstrengend.
Es hat mich ein wenig traurig gemacht, dass die Kinder in der neuen Schulumgebung nicht mehr so gut gefördert werden können. Aber so nehmen die Dinge ihren Lauf, und ich bin sicher dass sich alles einspielen wird. Das versichert mir auch meine Freundin Frances, die Lehrerin an einer Schule für schwer erziehbare Kinder ist, und über Facebook lebhaft Anteil an meiner Erfahrung nimmt.

Den Nachmittag verbringe ich mit meiner Familie, spiele mit meiner kleinen Schwester Maholy, und schon am nächsten Morgen fahre ich weiter nach Baños, wo ein letztes Abenteuer auf mich wartet.

Kategorien: Ecuador - Quito | Hinterlasse einen Kommentar

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