Abschied von San Cristobal

Von meiner Rundreise auf den Galapagos Inseln zurückgekehrt, erwartet mich zu meiner Überraschung Eduardo an der Mole – naja, er will mir meine vergessene Taschenlampe zurückgeben… Wir reden eine Weile, und er schlägt vor, dass wir morgen zusammen mit Marcela, Andres und 1-2 anderen zur Finca eines Freundes fahren können. Dort gibt es – in freier Wildbahn – Schildkröten, und einen schönen Blick über die Küste. Wir verabreden um 10:00 Uhr loszugehen, Eduardo wird noch mit seinem Freund telefonieren und mich morgen früh nochmal anrufen.

Ich bin von Reisen und Erkältung ein wenig erschöpft, und gehe früh ins Bett. Mit den anderen bin ich morgen früh zur Wanderung mit Eduardo verabredet.

Wie immer wache ich früh auf; mein „Lerchen Rhythmus“ hat sich auch auf Galapagos nicht verändert. Und weil der frühe Morgen eine gute Zeit zum Fotos und Blog laden ist, sitze ich schon um kurz nach 6:00 Uhr an der Rezeption unseres Hostels. Um 6:30 Uhr klingelt das Telefon – Eduardo! Er schlägt vor dass wir ins schon um 8:00 Uhr treffen, und nachhher noch zusammen zum Strand gehen. Oh oh… Ich ahne schon dass einige meiner Freunde diese neue Zeit nicht begeistert aufnehmen werden. Um zwanzig nach sieben klopfe ich zaghaft bei Andre und Marcela. Ich höre schon beim ersten Wort, dass diese Störung nicht wirklich willkommen ist… Und die Antwort, die mit Grabesstimme von Andre kommt lautet: „This is not going to happen!“ Ok, ok… Kleinlaut schleiche ich mich wieder in die Rezeption. Auch Matt der eigentlich mitwollte läßt sich von der frühen Uhrzeit abschrecken, und so rufe ich Eduardo noch einmal an um ihm mitzuteilen, dass nur wir beide losgehen. Wegen der teuren Taxe schlägt er eine Planänderung vor und will mit mir zu einem Baumhaus fahren. Ich habe bis 8:00 Uhr noch genügend Zeit zum Frühstücken und mir zu überlegen, dass ich viel lieber die Schildkröten sehen und die Wanderung machen will, auch wenn das Taxi 20 $ kostet. Ich hatte so sehr gehofft nochmal einen ganz anderen Ort auf der Insel zu sehen, zu dem Touristen nicht kommen.

Eduardo ist einverstanden, nur meine Sandalen (ihr erinnert euch, mein auf Galapagos einzig verbliebenes Schuhwerk abgesehen von Crocs) sind in seinen Augen nicht für die Wanderung geeignet. Und so halten wir an einem kleinen Laden und kaufen für ein paar Dollar ein Paar Leinenschuhe. (Da kriege ich wenigstens keine schmutzigen Füsse?!….). Die Fahrt führt in die Berge, und ich bin froh dass ich meine Jacke dabei habe. Auch wenn es hier frischer ist, haben wir einen schönen Tag erwischt, keine Wolken versperren die Sicht. Wir fahren ein Stückchen in Richtung Galapaguera, und biegen dann auf einen holprigen Weg ab. Dieser endet vor einem Stacheldraht, auf dessen anderer Seite ein schmaler Fusspfad zu sehen ist. Eduardo raunt mir noch zu, dass ich die Taxe erst später bezahle, damit uns der Fahrer auch wieder abholt – irgendwie bin ich nicht überrascht.

Über Schlamm und Vulkangestein steigen wir steil bergauf – in dünnen Leinenschuhen bestens gerüstet… Dann überqueren wir eine kleine Wiese, und hier grasen tatsächlich zwei Schildkröten. Eduardo nimmt eine auf den Arm – das hätte ich von ihm nicht erwartet, aber offensichtlich wird außerhalb des Nationalparks die Sache mit dem Tierschutz nicht so genau genommen. Ich fotografiere ihn mit seiner Kamera – mit meiner will ich so ein Bild nicht. Wieder höre ich den schweren Atem einer angstvollen Schildkröte – und habe Mitleid. Eduardo versucht mir weiszumachen, dass die Tiere das Streicheln ihres Panzers geniessen. Darauf falle ich nicht herein. Ich setzte mich für mein Foto dicht neben die Schildkröte, und bin mal wieder von der urzeitlichen Ausstrahlung fasziniert.

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Weiter geht es steil bergauf, irgendwann wird es flacher, und Eduardo bittet mich die Augen zu schliessen. Er führt mich ein Stück weiter über Steine, dann darf ich die Augen wieder öffnen. Der Blick ist atemberaubend! Wir schauen über die Westküste der Insel, auf weisse Strände die wohl selten einer betritt, auf die von Kakteen durchsetzte Küstenlandschaft und aus einer ganz anderen Perspektive auf Kickers Rock, wo meine Freunde und ich vor 2 Wochen tauchen waren. Wow! Ich bin glücklich, ist doch mein Wunsch nochmal ein anderes Stück von der Insel kennenzulernen in Erfüllung gegangen.

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Eduardo ist entspannt wie selten – ich habe ihn ja in den letzten zwei Monaten fast nur im Dienst erlebt. Wir schauen gemeinsam dem ausgiebigen Bad zweier Darwinfinken zu, und später entstehen ein paar lustige Bilder mit dem allgegenwärtigem Moos. Eduardo arrangiert es zu einem Bart und bringt mich zum Lachen. Dann bin ich dran, und als ich zögere, die Flechten in den Mund zu nehmen ermutigt er mich mit der Information „das ist rein organisch“…

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Weiter steigen wir zur Finca seines Freundes hinab, und auf dem Weg dorthin telefonieren die beiden kurz miteinander. Ich höre genau dass die beiden über „Colorados“ reden. Das ist die abfällige Bezeichnung für die so häufig von der Sonne verbrannten Ausländer. Als ich ich darüber beschwere heißt es „Du bist doch nicht gemeint, Du bist doch eine Freundin“… Ah ja.

Auf der Farm seines Freundes angekommen ist dort kein Mensch zu sehen, wir spazieren einmal durch den Schweinestall und machen ein paar witzige Fotos, dann gehen wir an einer kleinen Schule vorbei zu einer anderen Farm. Hier arbeiten ebenfalls Freiwillige, und Eduardo möchte sich das gerne anschauen. Wir warten eine Weile, dann klingelt sein Telefon und Lydia teilt ihm aufgeregt mit, dass er sofort nach Jatun Sacha kommen und helfen müsse – eine für morgen angekündigte Gruppe Ecuadorianer komme schon heute. Brummig sagt er, dass er nicht unten im Ort, sondern bei der alten Schule sei – kein Problem, das Taxi mit Erling und Lydia ist schon auf dem Weg.

Eduardo ruft den Wagen, der mich zurück in den Ort bringen wird, und ich merke dass er inbrünstig hofft dass dieser zuerst kommt. Es scheint ihm ein wenig peinlich, mit mir alleine hier zu sein. Ich frage mich ernsthaft ob er wohl vorsichtshalber versuchen wird mich ins Buschwerk zu schicken, aber soweit geht er dann doch nicht. 🙂

Natürlich kommt die Taxe mit Lydia und Erling zuerst, so habe ich auch nochmal die Chance Adieu zu Lydia zu sagen, von der ich mich gar nicht verabschiedet hatte. Kurze Zeit später kommt dann auch mein Taxi, und bringt mich zurück nach Puerto.

Es ist inzwischen 11 Uhr, und an der Rezeption sitzt nur Tom. Die anderen seien vor wenigen Minuten in Richtung unseres Lieblingsstrandes aufgebrochen, erklärt er. Eigentlich will ich sofort hinterher stürzen, aber da fällt mir ein dass ich noch meine Wäsche abholen muss. Ich habe keine kurze Hose…. Also laufe ich schnellen Schrittes zur Wäscherei, hole meine gereinigte Kleidung, ziehe mich in Blitzgeschwindigkeit um und stürze meinen Freunden hinterher. Am Interpretationscenter, dem kleinen Museum über die Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte der Galapagosinseln, muß man sich namentlich eintragen. Marcela und die anderen waren zehn Minuten früher hier als ich. Mit großen Schritten eile ich auf der Abkürzung am Center vorbei, als ich plötzlich eine bekannte Stimme höre. Und tatsächlich, eine der neuen und mir noch nicht bekannten Freiwilligen hat sich der Wanderung angeschlossen, und ihr zu Liebe haben meine Freunde den Weg durch das kleine Museum gewählt. Wir alle freuen uns – ich dass ich den Weg nicht alleine laufen muss, und Andre und Marcela, weil ich zu der Wanderung einfach dazugehöre – wir haben sie so oft zusammen gemacht.

Das Wetter meint es mal wieder gut mit uns, und wie immer hält der Weg eine Besonderheit für uns bereit: Diesmal sind es Pelikane, die es sich am Strand gemütlich gemacht haben und sich von uns gar nicht stören lassen. Das Schnorcheln ist wie immer ein Erlebnis. Während die anderen Scharen der riesengroßen Wasserschildkröten sehen, wollen sie sich mir heute nicht so recht zeigen. Dafür beschließt ein Seehundjunges mit mir zu spielen. Immer wieder umrunden wir uns, bis es schließlich in einem Strom blubbernder Luftblasen weiterzieht. Was für ein besonderes Erlebnis!

Auch auf dem Rückweg zeigen sich ein paar weitere Pelikane von ihrer schönsten Seite, und nicht einmal ich erwische heute einen der wackelnden Steine – was für ein Tag!

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Am Sonntag wollen wir noch einmal zum Strand „Loberia“ laufen, und darüberhinaus die Klippen erklimmen und vielleicht an deren Ende wieder zum Meer hinabsteigen. Wir, das sind Andre, Marcela, Matt, Tom und ich. An der Loberia müssen wir zum ersten Mal unsere Namen in eine Liste eintragen. Hier ist vor wenigen Wochen ein Tourist aus Ecuador ertrunken, seitdem hat man wohl die Schutzmaßnahmen verstärkt. Wir laufen weiter, steigen auf steilen Lavafelsen die Klippen hinauf, und genießen das Panorama. Heute zeigen sich keine Blaufußtölpel (Sebastian, bitte beachte: Ich bin bezüglich der korrekten Schreibweise lernfähig :-))) Am Ende der Klippen laufen wir weiter, ganz erlaubt ist das sicher nicht, aber wir sehen auch kein Verbotsschild. Wir gehen hinunter zum Meer, und werden für unsere Neugier belohnt. Eine besonders niedrige Ebbe legt Felsen frei die sonst offensichtlich unter Wasser liegen, und wir finden Seegurken, Seesterne und Meeresschnecken.

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Dann hält Galapagos noch ein besonderes Schauspiel für uns bereit: den Kampf rivalisierender Meeresleguane. Zunächst beobachten wir irritiert, wie ein sehr großes und erstaunlich buntes Exemplar heftig mit dem Kopf wackelt.

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Dann werden wir auf den Gegner aufmerksam, der die heftige Bewegung imitiert. Die beiden nähern sich einander – erst vorsichtig, dann immer schneller. Einer der beiden hat (bei einem Kampf?) ein großes Stück seines Schwanzes eingebüßt. Wir sind wie gebannt von diesem Schauspiel. Plötzlich tritt der Schwanzlose den Rückzug an. Hat er gewonnen oder verloren? Erstaunlich behände bewegt er sich von Fels zu Fels, um einem kleinerem Exemplar seiner Gattung mit zuckenden Kopfbewegungen ebenfalls den Kampf anzusagen. Zwischendurch sieht es mal kurz so aus als wolle er auch Tom herausfordern, der sich wohl zu nahe herangewagt hat. Tom tritt schnell den Rückzug an. Das sich uns bietende Schauspiel ist doch ein wenig unheimlich. Noch zwei seiner Artgenossen verjagt der Schwanzlose, dann läßt er sich stolz auf einem Felsen nieder und überblickt sein erobertes Terrain.

Wir treten den Rückweg an. Wieder einmal haben uns die Inseln mit ihrer einzigartigen Tierwelt in ihren Bann gezogen. Zurück am Strand kühlen wir uns noch kurz ab. Die Meeresströmungen befinden sich im Wandel, es ist die Zeit, in der der kalte Humboldt-Strom von der warmen Strömung aus Panama abgelöst wird. Das kann man merken, das Wasser ist zwar immer noch sehr erfrischend, aber nicht mehr so eisig kalt wie in der Zeit seit unserer Ankunft. Auf dem Weg zum Parkplatz bleiben Marcela und ich noch eine Weile bei einem kleinen Seehundbaby stehen. Es ist winzig, und kann erst wenige Tage alt sein. Erst spielt es ein wenig im Wasser, dann schnappt es übermütig ein Stück Seetang und watschelt damit unsicher zu seiner Mama. Hier versucht es zu trinken, aber das will einfach nicht gelingen. Mal erwischt es nur Haut, mal ist es zu ungeduldig um auf Milch zu warten, und dann beißt es frech in die Flosse seiner Mutter, oder kaut ein wenig auf der Brustwarze. Auch wenn wir lachen müssen, tut uns die Mutter dieses kleinen Bengels leid.

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Der Abend ist von weiteren Abschieden geprägt. Matt und Claudia fahren wieder auf die Station, und Erling, der Taxifahrer, den ich auf unseren vielen Fahrten zum Sport kennen und schätzen gelernt habe, holt die beiden ab. Wir machen noch ein paar Abschiedsbilder. Auch seine niedliche Tochter, die uns häufig abends begleitet hat, möchte noch ein Bild von uns. Dann bittet er mich um meine email Adresse, und ich freue mich sehr, als er mir kurze Zeit später schreibt.

Andre, Marcela und ich gehen gemütlich zusammen essen. Die beiden werden morgen früh eine kleine Rundreise auf den Galapagos Inseln antreten, ich bin glücklich, dass die beiden ihre Weiterreise extra so gelegt haben, dass wir noch einen letzten Abend zusammen verbringen können. Zu unserer Überraschung meldet sich Eduardo telefonisch. Er ist mit Erling zurück ins Dorf gefahren, um seine beim überstürzten Aufbruch zurückgelassenen Sachen zu holen. Er hat sich noch nicht von Andre und Marcela verabschiedet, das holt er nun nach.

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und begleite Andre und Marcela zur Fähre. Andre hat seine schmutzigen Wanderschuhe in zwei Plastiktüten verknotet, doch zum ersten Mal wird ein wenig sorgfältiger kontrolliert, und er muß sie putzen. Erst beim zweiten Anlauf läßt ihn die strenge Dame passieren. Ein weiterer Abschied naht, doch diesmal bin ich sicher: Diese beiden geschätzten Freunde werde ich bestimmt wiedersehen.

Der einzige Souvenirladen der auf dem Rückweg zum Hotel geöffnet hat ist der, in dem ich noch so gerne einen geschnitzten Tölpel und einen Seehund kaufen möchte. Was für ein Glück! Dann packe ich, breche zum Flughafen auf, und erlebe wieder ein wenig „typisches Ecuador“. Der Schalter zur Gepäckaufgabe hat noch nicht geöffnet, aber irgendwann kommt eine sehr offiziell aussehende Dame von LAN Airlines und bittet um meinen Pass und mein Ticket, und verschwindet damit. Ich warte… Und warte… Und irgendwann werde ich dann doch ein wenig nervös. Ich spreche mit einem der wenigen Angestellten des kleinen Flughafens, den ich von meinen Sportstunden kenne – er trainiert zur selben Zeit wie wir Fussball. Dieser beruhigt mich, das hätte schon alles seine Richtigkeit. Und wirklich kurze Zeit später taucht die Dame mit Pass und Ticket wieder auf.

Ich reihe mich in die kurze Schlange zur Gepäckabgabe, und staune nicht schlecht, als mir als Einstiegszeit 12:00 Uhr mitgeteilt wird. Ich frage nochmal nach – und dann nochmal. Meine Verwirrung rührt daher, dass mein Flieger schon um 11:20 Uhr abheben soll. Aber offensichtlich hat man mich (zusammen mit anderen Passagieren) auf den späteren Flieger einer anderen Fluggesellschaft umgebucht. Nicht dass das jemand erwähnt hätte…

Und so finde ich noch ein wenig Zeit mich am Strand von ein paar Blaufußtölpeln zu verabschieden. Sicherlich nicht für immer, auch wenn sich diese einzigartige Zeit in einem ganz besonderen Naturparadies nicht wiederholen läßt.

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Kategorien: Ecuador - Galapagos | Ein Kommentar

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Ein Gedanke zu „Abschied von San Cristobal

  1. Tolle Bilder und eine faszinierende Beschreibung vom „Leguan Machtkampf“.

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